Dieser Blogbeitrag entsteht am 25. März 2020, also in Mitten der Coronakrise. Die Schulen haben nun seit bald zwei Wochen geschlossen, Geschäfte, Bars, Museen seit etwa einer Woche und seit drei Tagen gelten verschärfte Regeln zum Ausgang und Kontakt mit Menschen.
Die positive Nachricht in diesen Zeiten ist, dass neben allen beunruhigenden Meldungen auch eine Vielzahl an guten Ideen ihren Weg in die Gesellschaft finden:
- Museen haben geschlossen? Es gibt nun viele virtuelle Museumsgänge.
- Schulen haben geschlossen? Das Fernsehprogramm überträgt lehrreichere Inhalte, Unterricht findet über Lernplattformen oder Videochats statt.
- Treffen im realen Leben sind schwer möglich? Beratungsstellen, Kirchen und Vereine oder Privatpersonen stellen sich im Netz dar und tauschen sich aus. Es wird wieder mehr telefoniert.
- Restaurants oder Buchläden dürfen nicht mehr besucht werden? Lieferservice werden gegründet und bringen Brötchen, Bücher oder Lebensmittel direkt nach Hause.
- Atemmasken sind knapp? Modedesigner oder ganze Modeketten stellen sie nun anstatt ihres Sortiments her.
In allen Bereichen unserer Gesellschaft überlegen Menschen, wie sie positiv mit dieser Krise umgehen können und auch ich überlege, welche Teile ich beitragen kann, fernab von dem Unterricht für meine drei Kinder, den meine Frau und ich nun schon seit 14 Tagen jeden Wochentag von 8-12 Uhr organisieren und dem Onlineunterricht für unsere Schulklassen, den wir mit digitalen Lernplattformen, Aufgabenformaten, Chats und teilweise einfach per Telefon organisieren.
Mein persönliches Steckenpferd sind Experimente und Versuche aus Physik und Chemie, die schon im normalen Schulunterricht leicht eine zurückgestellte Rolle spielen. In Zeiten von digitalem Homeschooling und geschlossenen Museen, Schülerlaboren, Schülerforschungszentren und Science Centern erscheint mir der Stellenwert des forschenden Lernens nun noch weiter gefährdet.
DOCH….
…dabei ist doch in dieser sehr unschönen, aktuellen Situation auch eine Chance sich gerade jetzt mit den spannenden Phänomenen in seiner Umgebung auseinander zu setzen und das auch gemeinsam entdeckend zwischen Eltern und Kindern. (Großeltern und Enkel sollten aus bekannten Gründen lieber im Moment nicht zusammen experimentieren)
Die Nachfrage nach Spielkonsolen kann derzeit nicht gedeckt werden. Bei vielen Händlern sind sie derzeit ausverkauft oder nur deutlich teurer zu erstehen habe ich gerade gestern gelesen. Wir selbst haben Puzzle angeschafft und nutzen natürlich auch digitale Medien mit unseren Kindern.
ABER…
…neben all diesen Medien und vor dem nächsten Lagerkoller liefern uns kleine Experimente eine sehr angenehme Unterhaltung, die bekanntermaßen schon zu viel früheren Zeiten ein großes Publikum fand.
Ich referiere gerne über die großen Populärwissenschaftler, die mit einfachen Mitteln Phänomene in Erscheinung treten liessen. Dazu gehörten u.a. Michael Faraday (den viele nur von seinem Käfig kennen) der über die Naturgeschichte einer Kerze Vorlesungen hielt oder Otto von Guericke, der mit seinen Halbkugeln über Magdeburg hinaus Showveranstaltungen abhielt. Auch in neuerer Zeit sind die kleinen Experimente von Gauklern und Zirkusschaffenden genutzt und abgewandelt worden und Jugendmagazine, wie „Der gute Kamerad“, eine illustrierte Knabenzeitung, lieferten schon seit 1887 nicht nur spannende Karl May Geschichten sondern auch Anregungen für Experimente und Phänomene zum selber basteln und forschen. In dieser Tradition steht auch das YPS-Heft, das die Experimente und Phänomene seit 1975 gleich im Heft mitlieferte.
HEUTE…
…gibt es den guten Kamerad oder das YPS Heft leider nicht mehr, dafür aber das Internet mit den gleichen Ideen und Anregungen (und den kleinen Baumarktphysiker).
Mit einfachsten Mitteln lassen sich aber eine Vielzahl von erstaunlichen Phänomenen in Erscheinung treten, die mit ein wenig Übung und kritischem Denken auch zu großen Teilen selbst erforscht werden können. Der vorliegende Artikel soll Lust auf die Suche nach ihnen machen und hoffentlich zur ein oder anderen spannenden Entdeckung von Eltern und Kindern führen und auch Lehrende anregen Experimente in die Aufgaben für ihre Schülerinnen und Schüler einzubauen.
VORWEG..
gibt es dazu noch zwei wichtige Regeln, zum Umgang mit solchen Experimenten:
- Experimente sind nicht immer ganz ohne Gefahren. Sie sollten immer bedacht und demütig, nach bestem Wissen und Gewissen, unter Beachtung von Sicherheitsregeln und vor allem immer in Anwesenheit von Erwachsenen durchgeführt werden.
- Experimente und Phänomene müssen auf die Welt gebracht werden. (die alten Griechen sprachen von „Hermeneutik“, also Hebammenkunst).
Dazu sollte man gemeinsam (2-3 Personen) im Gespräch über das Experiment zusammenarbeiten und versuchen durch das ändern von Variablen zur Lösung zu kommen. Vor allem sollten sich die Eltern und altklugen großen Geschwister dabei aber mit vorschnellen Lösungen zurück nehmen. Eine falsche eigene erste Lösung ist allemal wertvoller als eine richtige Lösung von jemand anderem, die man nicht verstanden hat!
Nun kommen wir zum Kern des Artikels. Meiner TOP 3 an Experimenten und Phänomenen, die mit einfachsten Mitteln gemeinsam zu Zeiten des Coronavirus zu Hause nachexperimentiert werden können, gefolgt von Literaturtipps und didaktischen Tipps für Lehrende. (Die Auswahl ist in der Vielzahl an spannenden Phänomenen recht beliebig. Alle hier gezeigten Experimente sind mit sehr einfachen Mitteln nachzuexperimentieren. Gewürzt habe ich sie mit Auszügen aus meinem Buch „Der kleine Baumarktphysiker“. )
TOP 3 – Experimente für zu Hause
- TOP 4 – Das Orangenschalenfeuerwerk
- TOP 2 – Der Kerzenlöscher
- TOP 1 – Auftrieb einer Coladose
Das Orangenschalenfeuerwerk
Material: 1 Kerze, (1 Zitrusschäler oder) Messer, 1 Teller, Streichhölzer
Durchführung: Lege lockere Kleidung vorab ab und binde dir lange Haare zusammen. Schäle die Orange ab und lege die Orangenschale zur Seite. Stelle die Kerze auf den Teller und zünde sie an. Achte dabei darauf, dass keine brennbaren Dinge in die Nähe der Kerzenflamme geraten können! Falte die Orangenschale zu einer Rolle (siehe Bild) und spritze die Öle der Schale in die Kerzenflamme.
Hinweise: Mit dieser Versuchsanordnung lässt sich ein kleiner Faustgroßer Feuerball erzeugen der auch noch gut riecht. Eine Versuchsreihe mit weiteren Zitrusfrüchten zeigt wie viel ätherische Öle sie enthalten. Diese Öle kann man auch auf einen Luftballon spritzen, der zerplatzt. Warum eigentlich? Hinter dem Phänomen des brennenden Orangenschalenfeuerballs steht eine wichtige Größe bei Verbrennungen – der Verteilungsgrad.
„In der Orangenschale sind es ätherische Öle, die zum Einen gut brennbar und zum anderen durch unser Auspressen auch fein verteilt mit Sauerstoff ein verpuffendes Flammenfeuerwerk bilden. Bei Mehl ist es ähnlich. Es findet eine kleine Staubexplosion statt. Kontrolliert nutzen Pyrotechniker, Feuerspucker und Zauberer diesen Effekt. Sie verwenden die Sporen des Bärlapp, Lycopodium clavatum, ein feines, mit ölen versetztes Mehl, dass in einem imposanten Feuerball verbrennt, wenn man es in eine Flamme pustet. Das Hexenmehl war schon im Mittelalter ein beliebtes Mittel um das einfache Volk zu beeindrucken. Am 06. Februar 1979 geriet die Bremer Rolandmühle durch eine Staubexplosion in die Schlagzeilen. Eine der stärksten Explosionen in Friedenszeiten erschütterte die Mühle. Ein Kabelbrand löste in der Probenkammer die grösste Mehlstaubexplosion der deutschen Geschichte aus. Durch die Explosion wurde weiteres Mehl aufgewirbelt, dass in weiteren Explosionen zur Reaktion gebracht wurde. Ein unscheinbares verschmortes Kabel und Mehl wurden zu einer tödlichen Falle. 14 Personen starben bei den Detonationen, 17 wurden teilweise schwer verletzt. Die Dächer der Mehlspeicher wurden von der immensen Druckwelle hochgerissen, Wände und ganze Gebäude zum Bersten gebracht und ein Regen aus Mehl ging in einem Umkreis von drei Kilometern nieder. Aus Sorge vor weiteren Explosionen benötigte die Feuerwehr sechs Tage, bis der Brand gelöscht war. Insgesamt entstand ein Schaden von heute etwa 115 Millionen Euro.“
Sven Sommer, „Der kleine Baumarktphysiker – Experimente für alle, die es zu Hause richtig krachen lassen wollen“, Piper Verlag
Der Kerzenlöscher
Material: 6 Teelichte, 1 Glasschale (groß), 2 Gläser, 1 Untertasse, 1 große Packung Natron, 1 Flasche Haushaltsessig, Brausetabletten, Wasser, Streichhölzer
Durchführung: Lege lockere Kleidung vorab ab und binde dir lange Haare zusammen. Achte darauf keine brennbaren Dinge in der Umgebung zum Experiment zu haben. Stelle drei Teelichte übereinander auf eine Untertasse. Stelle daneben zwei Teelichte übereinander. Stelle
daneben noch ein Teelicht und zünde die obersten Teelichte an. Stelle die Glaswanne über die Teelichte und beobachte welches Teelicht zuerst ausgeht.
Gib dann ein weiteres Teelicht in einen Glas und zünde es an. Gib einen großen Esslöffel Natron (ca. ein kleines Päckchen) und zwei Finger breit Essig in ein anderes Glas. Halte das Glas mit der Natron/Essig Mischung schräg an das Glas mit dem brennenden Teelicht und mache dabei eine Schüttbewegung ohne den Essig wirklich umzugießen.
Baue danach die Teelicht wie im ersten Teil des Versuchs in der Glasschale auf und lege etwa 10 Brausetablette um die Teelichte herum. Entzünde nun die Teelichte und gib langsam etwas Wasser auf die Brausetabletten. Beobachte welche Teelichte nun zuerst ausgehen?
Hinweise: Mit dieser Versuchsanordnung lässt sich zeigen, dass Feuer neben einem Brennstoff noch etwas braucht: nämlich Luft, bzw. Sauerstoff und wie andere Gase aus Brausetabletten oder Natronpulver eine Flamme löschen können. Welche Gase entstehen da eigentlich? Der Versuch zeigt auch ein wenig darüber, wie diese Gase sich verhalten. Welche Teelichte sind wann genau ausgegangen?
Eine Mischung aus Haushaltsnatron und Essig löscht eine Kerze ebenso, wobei es nicht die Mischung selber ist sondern ein unsichtbares, aus Natron und Essig entstandenes Gas. Dieses Gas scheint sich also wie eine Flüssigkeit zu verhalten, die um die Kerzen fließt. Es ist schwerer als Luft, sonst würde es sich nicht in der Glasschüssel sammeln. Liegt die Schüssel unten statt oben geht zuerst die unterste Flamme aus, dann die weiter oben liegenden. Ein Blick auf die Herstellerangaben kann uns weiterhelfen. Haushaltsnatron besteht aus einem Stoff, den der Chemiker Natriumhydrogencarbonat nennt. Natriumhydrogencarbonat ist eine Verbindung von Kohlenstoffatomen, Wasserstoffatomen, Sauerstoffatomen und Natriumatomen. Es sieht als Formel NaHCO3 geschrieben einer weltbekannten anderen Formel ähnlich: dem CO2 – Kohlenstoffidioxid, das wir bereits als Produkt von vielen Verbrennungen kennen. Das sprudelnde Erlebnis im Natron-Essiggemisch sieht darüber hinaus ein wenig aus, wie Mineralwasser. Und tatsächlich entsteht bei der Reaktion von Essigsäure mit Natriumhydrogencarbonat die aus dem Mineralwasser vertraute Kohlensäure. Die zerfällt in kleine Gasbläschen aus Kohlenstoffidoxid. Die Gasblasen steigen auf und das Kohlenstoffdiodxid wird freigesetzt; in unserer Glasschüssel ein wenig mehr, als im handeslüblichen Mineralwasser.
Sven Sommer, „Der kleine Baumarktphysiker – Experimente für alle, die es zu Hause richtig krachen lassen wollen“, Piper Verlag
Die ersten beiden Versuche zeigen zwei Phänomene aus dem Bereich des Themas „Feuer“. Chemiker würden vielleicht noch genauer von chemischen Reaktionen sprechen. Es gibt in diesem Bereich noch viel mehr zu erleben. Beim Thema Feuer muss man natürlich besonders acht auf sich, andere und seine Umgebung geben. Deswegen sollten diese Versuche auch nie alleine durchgeführt werden. Wenn das Wetter es zulässt gibt es einen wunderbaren Anlass für die ganze Familie sich mit dem Thema „Feuer“ auseinander zu setzen, auf dem Balkon oder im Garten, wenn der Holzkohlegrill angeschmissen wird. Wissen über das Thema Feuer kann helfen, wenn wegen der Ausgangssperre z.B. gerade kein Grillanzünder im Haus vorhanden ist. Wir können mit Kenntnis über die Chemie des Feuers z.B. aus einer Toilettenpapierrolle einen Grillanzünder bauen oder mit einer langen Spaghettinudel den Grill entzünden. Das sind beides aber Dinge, die auch im Moment wegen der Hamsterkäufe nicht besonders einfach zu bekommen sind und mit Taco Chips klappt das entzünden sogar noch besser als mit einer Spaghettinudel. Wer statt Chips eine Flasche und eine Zeitung parat hat kann der Grill dann auch wie der Agent Mac Gyver (Kinder fragt eure Eltern danach, die kennen ihn) entzünden: mit dem peruanischen Grillkohlevulkan.
Wir nehmen dazu eine Doppelseite Zeitungspapier und wickeln sie um eine leere Bierflasche, so als wollten wir sie einpacken. Boden der Flasche und Seiten sollten fest verpackt sein, der Flaschenkopf aber frei bleiben. Wir stellen die so verpackte Flasche dann auf den Grill und legen die Grillkohlen in Form eines Vulkans um die Bierflasche. Wir nehmen dann die Bierflasche vorsichtig aus dem Krater und achten darauf, dass die Zeitung stabil zwischen Kohlen verbleibt. Wir zünden nun das Zeitungspapier im peruanischen Grillkohlevulkan an. Auf den Bildern seht ihr dann auch noch weitere spannende Projekte für den Grillabend, die ich vor Jahren für das YPS Heft sammeln durfte. Einen Grill oder Kohlekamin selber bauen? Mit Sonnenergie eine Tiefkühlpizza backen, Grillanzünder aus Wattepads herstellen oder einfach Weintrauben als Eiswürfel verwenden? Wer Ahnung oder Neugier für Naturwissenschaften hat, hat eigentlich immer genug Projekte vor sich. (Wer weitere Anregungen haben möchte muss beim Egmont Ehapa Verlag mal nach alten YPS Ausgaben fragen oder noch viel besser gleich um die Wiederauflage des Magazins bitten.)
Der peruanische Kohlevulkan wirkt wie ein Kamin. Warme Luft dehnt sich aus und steigt auf Grund ihrer nu geringeren Dichte steigt im Vulkan auf, was kühlere Luft an den Seiten dazu bewegt nachzuströmen. Haben wir genug Platz zwischen den Kohlen gelassen und den Vulkan vielleicht sogar auf einem Drahtrost aufgetürmt gelingt dieser Kreislauf aus warmer und kalter Luft sehr einfach und sorgt für konstanten Nachschub an Sauerstoff.
Sven Sommer, „Der kleine Baumarktphysiker – Experimente für alle, die es zu Hause richtig krachen lassen wollen“, Piper Verlag
Auftrieb einer Coladose
Material: 1 Cola-Dose light, 1 Cola-Dose, 2 Luftballons, 1 Löffel, 1 Kunststoffbecher, 5 Zuckerwürfel, 1 große Schüssel, 1 Trichter, Wasser
Durchführung: Fülle die große Schüssel mit Wasser und gib die beiden Dosen hinein. Fülle einen Ballon mit Leitungswasser, verschließe ihn und gib ihn auch in die Schüssel. Mische in einem Glas etwas Wasser und mehrere Zuckerwürfel zu einer Zuckerlösung. Gib diese Zuckerlösung mit Hilfe des Trichters in einen Luftballon und verschließe ihn. Es kann helfen einfach 5 Zuckerwürfel oder etwas Zuckerpulver in den Luftballon zu füllen und dann einfach Wasser hinzu zu geben. Achte auch darauf, dass sich keine Luftblasen in den Ballons gesammelt haben, wenn du sie verschliesst. Gib den Ballon mit Zuckerwasser danach auch in Glasschüssel. Was schwimmt nun? Welche Dosen schwimmen, welche schwimmen nicht und was ist mit dem Ballon mit Zuckerwasser?
Hinweise: Dieser Versuch zeigt sehr schön einen Aspekt, der wichtig ist, wenn es um das Schwimmen im Wasser geht. Eine ganze Reihe von weiteren Versuchen schließen sich an. Wer draußen im Garten eine Wanne mit Wasser füllt kann eine Versuchsreihe mit Spielzeugen starten. Wird Barbie schwimmen? Und schwimmt ihr Auto auch? Ein Klumpen Knete schwimmt nicht so gut, wie ein Boot, das wir aus Knete bauen. Und was passiert mit unseren Versuchmaterialien aus dem obigen Versuch, wenn wir sie in konzentriertem Salzwasser schwimmen lassen? Eine mit Knete beschwerte Plastikspritze aus der Apotheke geht im Wasser unter. Wenn wir sie nun aber aufziehen, dann sehen wir vielleicht ein ganz anderes Ergebnis. Ein Backaromafläschchen wird danach zu einem prima kartesischen Taucher. Die Anzahl an Versuchen zum Schwimmen oder physikalisch genauer zum „Archimedischen Prinzip“ geben einem richtig Auftrieb, oder?
Für die erwachsenen Leser habe ich zum Thema abschließend noch ein sehr schönes Cocktailrezept. Wie das Wissen um den Auftrieb Leonardo di Caprio im Film „Titanic“ das Leben gerettet hätte müsst ihr allerdings in meinem Buch nachlesen.
Die Cocktailbars wären ohne Archimedes Prinzip des Auftriebs vielleicht deutlich weniger reizvoll. Ein Lieblingsdrink unter Chemikern (in meinem Umfeld jedenfalls) ist der B`52 oder kurz “Bifi”, ein kurzer Drink mit dramaturgischer Legende. Vorsichtig wird mit einem Barlöffel Cremelikör auf Kaffeelikör gegossen. Den Abschluss macht Grand Marnier oder Over-Proof-Rum. Alle drei Schichten stapeln sich übereinander und werden vor dem Trinken angezündet, wodurch sich auch der Name B52, ein Jagdbomber aus dem Vietnamkrieg, der Brandbomben abwarf, ableitet. Lecker und gefährlich, wenn man das Auspusten vergisst. In jedem Fall viel Physik und Chemie! “Heureka!”
Sven Sommer, „Der kleine Baumarktphysiker – Experimente für alle, die es zu Hause richtig krachen lassen wollen“, Piper Verlag
Dies waren also nur drei kleine Beispiele, wie man mit einfachen Alltagsexperimenten zum nebenberuflichen Naturwissenschaftler werden kann und dabei noch viel spannendes, erstaunliches und hilfreiches entdecken kann. All das klappt mit einfachsten Mitteln aus dem Haushalt, macht Spaß und man lernt dabei sogar etwas. Nicht Physik, nein man lernt dabei, dass Physik und Chemie nicht auf der Tafel stattfinden sondern links und recht, oben und unten im Alltag und, dass nicht nur Physiker und Physiklehrer Ahnung von dieser Disziplin haben sondern jeder selbst auf Antworten kommen kann, wenn er denn, wie ein Forscher mit Interesse und eigenen Ideen an die Themen herangehen kann. Am wichtigsten ist dabei die Zeit! In der klassischen 45 Minuten Unterrichtsstunde, die übrigens noch auf den Weimarer Bildungskompromiss zurückgeht und als Kurzunterricht eingeführt wurde, damit Kinder nicht Nachmittags zur Schule gehen mussten und ihren Eltern so das Mittagessen in die Fabrik bringen konnten, also in diesen kurzen Unterrichtszeiten kann man gar nicht so gut auf eigene Ideen und Lösungen kommen.
Philon von Byzanz beschrieb in seiner Pneumatica wahrscheinlich den ältesten Freihandversuch der Welt, den ich zum Abschluss noch als Zugabe gebe: Wir entzünden ein Teelicht auf einer Untertasse auf die wir zuvor ein wenig Wasser gegeben haben. Nun stellen wir ein Glas über das Teelicht und lassen es damit ausgehen. Das Wasser steigt nun im Glas an. Bis heute wird der Versuch noch in vielen Schulbüchern oder im Fernsehen falsch gedeutet. Warum sollten wir auch erwarten, dass die Lösung zum Phänomen innerhalb von 45 Minuten auf uns zukommt. Philon von Byzanz, Priestley, Galileo, Lavoisier und viele andere namenhafte Wissenschaftler forschten über mehrere Jahrtausende an dem Phänomen und empirisch genau gelang der Nachweis erst einem Forscherteam in den 2010ern. Der Versuch ist damit mein absolutes Lieblingsexperiment, weil es deutlich macht, dass wir uns Zeit lassen sollten und diese Zeit haben wir ja nun. Mit dem Ändern der Dauer über der Kerzenflamme, unterschiedlichen Gläsergrößen, unterschiedlichen Wärmequellen (z.B. mit einem Toaster) können wir den Versuch wiederholen. Auf die Lösung kann uns ein Föhn führen mit dem wir das Glas am Ende des Experiments noch einmal wieder erwärmen. Ich hoffe diese kleinen Anregungen haben euch und sie nun insgesamt für solcherlei Phänomene, Experimente und Versuche erwärmt. Auf meiner Internetseite finden Sie unter dem Punkt „Experimente“ zahlreiche weitere Anregungen und Lehrkräfte auch noch die passenden Anleitungen als PDF und Videos dazu, alles OER natürlich. Wer sich nun weitergehend mit diesem Thema befassen möchte dem empfehle ich natürlich auch mein Buch „Der kleine Baumarktphysiker“ , dass ich schrieb um Erwachsene und Kinder wieder mehr zum forschen, ausprobieren, basteln und experimentieren zu begeistern.
Im Rahmen einer Onlinefortbildung (am 25.03.) sammele ich mit Lehrkräften darüber hinaus weitere Materialien für Experimente, die mit einfachen Mitteln zu Hause durchgeführt werden können. Diese Ideen stehen allen interessierten Besuchern ebenfalls zur Verfügung.
Mit meinem Arbeitsbereich kann ich wenig gegen die Wurzeln der derzeitigen Krise tun. Ich bin kein Experte im Gesundheitswesen oder Finanzwesen, ich stehe nicht an der Supermarktkasse. Ich möchte mit den obigen Zeilen aber etwas beitragen, was ich seit Jahren sehr gut kann: Menschen für Naturwissenschaften begeistern und unterhalten. Alle meine Lehrveranstaltungen, meine Vorträge und Workshops finden derzeit nicht statt. Meine Lieblingsprojekte die „Phänomenta“ bzw. „miniphänomenta“ und Hochbegabtenförderprogramm „Enrichment“ sind mindestens bis zu den Sommerferien geschlossen. Dies hier ist (m)ein Weg trotzdem weiter mit meiner Arbeit zu machen.
Liebe Lehrer: Wenn die Schülerinnen und Schüler ihre Aufgaben nun schon einige Wochen erledigt haben, gönnt ihnen doch etwas neues. Lasst sie eigene Forschung betreiben oder ein interessantes populärwissenschaftliches Buch lesen. Neben Fachinhalten vermitteln wir bestenfalls als Lehrkräfte auch Interessen. Wer kein Interesse hat ist nicht gebildet. Bitte achtet auch darauf in diesen Zeiten.
Liebe Eltern: Die Herausforderung in einer ungewissen Zeit einen neuen Familienalltag zu etablieren ist sehr groß, die Verlockung auf digitale Medien zurück zu greifen (auch bei mir) allgegenwärtig), der Druck sich nur mit den vorgegebenen Materialien der Schulen zu befassen teilweise sehr hoch. Lernen ist aber mehr als Aufgaben bearbeiten. Wenn Sie mit Freude gemeinsam mit ihren Kindern Zeit verbringen können und dabei neues Entdeckt wird ist das ebenso wertvoll, wenn nicht sogar wertvoller.
Ich freue mich, wenn ich mit diesem Beitrag in einer sehr besonderen Zeit Sie erreiche, Ihnen ein Lächeln und ein paar fesselnde Momente bescheren kann und vielleicht sogar den ein oder anderen für die Naturwissenschaften begeistern kann oder für Ideen einzustehen, die unsere Gesellschaft auszeichnet.
Bleiben Sie gesund!
Dr. Sven Sommer